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Risikofaktoren für eine frühe Demenz

Neue Forschungsergebnisse weisen auf Faktoren hin, die Demenzrisiko für den frühen Beginn sind. Dies sind nicht nur Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus oder der APOE4-Genotypus. Gemäß den beiden Veröffentlichungen einer Expertenrunde Lancet Commission von 2017 und 2020 kennen wir inzwischen mehrere Faktoren, die zu der Entwicklung einer Demenz, d.h. Hirnleistungsstörungen, die tägliche Unterstützung Dritter bedarf, im späten Alter, genannt: Late-Onset-Dementia=älter als 65 Lebensjahre, beitragen. Dazu gehören geringes Bildungsniveau, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Rauchen, Depression oder Hörminderung u.a.. Mindestens 40% der Demenzerkrankungen könnten bei konsequenter Anwendung durch Vorbeugung dieser Faktoren, so die schulmedizinischen Forschungsergebnisse, verhindert werden.

Die neue Untersuchung versuchte nun Faktoren für den frühen Demenztyp, genannt “Early-Onset-Dementia”, also ein Krankheitsbeginn bei Menschen jünger als 65 Lebensjahre, herauszufinden. Neben den bekannten genetischen Erb-Faktoren (PSN1, PSN2, APP), die überraschenderweise nur 5-8% ausmachen, wurden weitere Zusammenhänge gesucht.

Diese Studie aus der britischen UK-Biobank offenbarte Bemerkenswertes. Zur Erläuterung: Die UK-Biobank ist eine weltweit mehr oder weniger einzigartige große Datenbank mit mehr als 500.000 Teilnehmern. Seit 2006 werden die Menschen jährlich sehr umfassenden Untersuchungen unterzogen auch bezüglich Lebensstil, Gesundheitsdaten, Hirnleistungen und vielen anderen Faktoren. Aus diesen Daten wurden nun Menschen herausgefiltert, die bei der Erstuntersuchung jünger als 65 Jahre waren und keine Hirnleistungsstörungen hatten, aber eine Demenz im Verlauf des Beobachtungszeitraums vor dem 65. Lebensjahr entwickelten. Gemäß den Erhebungen und Untersuchungen wurden insgesamt auf 39 Risikofaktoren untersucht. Von den anfangs in die Studie eingeschlossenen 356.052 Personen entwickelten 485 eine Demenz. Diese Erkrankten wurden betreffend den 39 Faktoren untersucht und mit denjenigen Personen verglichen, die keine Demenz entwickelten.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Risikoreduktion, somit als schützenden Faktor an einer frühen Demenz zu erkranken, für höhere Schulbildung (um 63%), hohe Handkraft als Zeichen sportlicher Aktivität (um 58%) und moderaten Alkoholgebrauch (72%) anzunehmen ist.

Ein höheres Risiko vor dem 65. Lebensjahr an einer Demenz zu erkranken ergaben sich für mittleren (um 26%) und niedrigen sozialökonomischen Status (82%) , APOE4-Genotypus (monozygot 87%, heterozygot 27%), Alkoholkrankheit (139%), soziale Isolation (53%), Hörminderung (56%), Kreislaufregulationsstörungen (320%), Schlaganfall (107%), Diabetes mellitus (65%), Herzerkrankungen (61%), Depression (225%), Vitamin D-Mangel (59%) und Entzündungszeichen im Blut (54% bei CRP>1 mg/dL).

Doch halt! Wie sind diese Daten nun zu verstehen, da es ja “nur” eine Beobachtungsstudie ist, die Wechselbeziehungen, aber keine ursächlichen Zusammenhänge (correlation is no causation) belegen kann. Denn Korrelationen können natürlich auch umgekehrt sein, also nicht die Faktoren begründen die Demenz, sondern die Demenz führt zu dem jeweiligen Faktor. Dies gilt hier sicherlich nicht für den APOE-Genotypus oder den sozioökonomischen Status, jedoch kann dies durchaus für Depression oder soziale Isolation gelten. Insofern sind diese umgekehrten Wechselbeziehungen bei der Bewertung zu beachten.

Dennoch belegen einige Faktoren, die auch mit dem späten Beginn einer Demenz verknüpft sind und insofern nun bestätigt werden, deren Bedeutung und weisen auf eine höhere Wahrscheinlichkeit hin, dass ein wirklicher ursächlicher Zusammenhang vorliegt.

Die Daten, was die höhere Schulbildung betrifft, bestätigen das schon länger bekannte Konzept der “kognitiven Reserve“. Dies bedeutet, je höher die Schulbildung ist, desto langsamer und später sinken die Hirnleistungen unter die Grenze der Demenz ab. Frühe kindliche Förderung ist protektiv und bremst an einer Demenz zu erkranken, weswegen die Zahl der Jugendlichen in Deutschland, die nicht einmal den Hauptschulabschluss erreichen, es waren gemäß Schulstatistik 52.300 in 2022, ein soziales Versagen mit hohen Folgekosten bedeutet.

Die Handkraft kann als ein Faktor bestätigt mannigfaltige Voruntersuchungen, nämlich dahingehend, dass eine allgemein hohe Muskelkraft schützt und zu längerem Leben und geringerer Sterblichkeit im Vergleich zu geringer Muskelkraft führt. Hier gilt: je mehr je besser! Siehe auch meinen Blog über Sport.

Gerne wird es ignoriert: Alkohol ist eine toxische Substanz und keine Dosis ist gesund, aber die Dosis macht natürlich den Effekt. Der vermeintlich positive Effekt ist, hier wie in vielen anderen Studien, wohl Zeichen für einen generellen gesunden Lebensstils. Dies bedeutet, dass moderate Trinker (Männer weniger als zwei und Frauen weniger als ein Drink pro Tag) grundsätzlich einen gesunderen Lebensstil pflegen wozu moderater Alkoholgebrauch gehört. Große Studienzusammenfassungen zeigen bei maximal einem halben Drink pro Tag die geringste Sterblichkeit. Aber eine wichtige Tatsache, die hier doch verfälschend den positiven Aspekt verstärkt, muss beachtet werden: Alkoholabstinenz – in o.g. Studie also höher als ein halber Drink pro Tag – ist natürlich mit Krankheiten oder Medikamentengebrauch oder Alkoholintoleranz (Enzymmangel) verknüpft. Diese Menschen sind oft kränker aus vielen Gründen und eben nicht gesund, obwohl sie keinen Alkohol trinken, was in allen Studien gerne überlesen wird. Hier gilt wohl eher: eine geringe Alkoholdosis zur richtigen Tageszeit, in Gesellschaft und beim Essen bewirkt keinen maßgeblichen Schaden. Ob dies jedoch definitiv protektiv wirkt, wie das Ergebnis hier nahelegt, da bleiben Zweifel, denn beim kranken Gehirn, was bekanntermaßen unbemerkt sein kann, wird die ungefährliche Schwelle schneller überschritten.

Menschen mit niedrigerem sozioökonomischen Status achten typischerweise weniger auf ihre Gesundheit und gehen seltener zum Arzt, z.B. zu Vorbeugeuntersuchungen oder Impfungen. Dies ist bereits bekannt und aus vielfachen Untersuchungen belegt, sodass hier das Ergebnis Bekanntes stützt, nun also ist die sozialökonomische Situation auch ein Risikofaktor für die Demenz mit frühem Beginn.

Dass psychiatrische Krankheiten, hier Depression und soziale Isolation, was ja oft Hand in Hand geht, auffällig ist und die Demenzentwicklung fördert, ist duch mehrfache Untersuchungen gut abgesichert. Umgekehrt bedeutet dies: enge soziale Bindungen in Familie und Freundschaften sind gesunderhaltend. Hier ist z.B auf die Veröffentlichungen zu den “Blue Zones“, Erstveröffentlichung in 2005 “Secrets of a long Life”, oder bereits länger bekannt, den “Roseto Effekt” hinzuweisen.

Ursächliche Zusammenhänge sind ebenfalls für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Schlaganfall, bereits lange bekannt. Diabetes mellitus als Risikoerhöhung für die Demenz ebenfalls, jetzt also, dass dies auch für die frühe Demenz gilt. Als Diabetes mellitus “Typ 3 – dies im Unterschied zu Typ 1 als autoimmunbedingt und Typ 2 als Altersdiabetes im Sinne Insulinüberlastung und Insulinresistenz – wurde bereits vor Jahren die Alzheimer-Krankheit beschrieben. Zuckerüberlastungen des Körper bewirken eine Insulinüberlastung (Hyperinsulinämie) und dies führt zu einer Insulinresistenz, also die ungenügende Wirksamkeit des Insulins infolge des Kohlenhydratüberangebotes, das gegessen und getrunken wird. Diese Unwirksamkeit des Insulins ereignet sich im gesamten Körper, also auch im Gehirn, was somit den Hirnstoffwechsel und damit natürlich jegliche Hirnfunktionen beeinträchtigt. Dieser  geminderte Glucosestoffwechsel kann per FDG-PET (Flordeoxyglucose-Positronen Emissions Tomografie) nuklearmedizinisch nachgewiesen werden.

Dass Entzündungszeichen im Gehirn bereits für den frühen Demenz-Typ eine Rolle spielen bestätigt vielfache andere Beobachtungen und insbesondere das Konzept der Entzündungsalterung, genannt “Inflamm-aging“. Die bekannten Untersuchungsergebnisse bezeichnen die Aktivierung der  Entzündungskasake mit Förderung der Entzündungsgene und folglich das vermehrte Ausschütten von Entzündungsproteinen (Zytokine). Dies bleibt meist unterhalb der auffälligen Schwelle für typische Entzündungszeichen in Blutuntersuchungen, die ja meist Folge von Abwehrreaktionen als Infektzeichen des Körper auf Keime und abzugrenzen sind. Auch o.g. Diabetes fördert dieses “Inflamm-aging” wie  mikroskopische (histologische) Gehirnuntersuchungen zeigen.

Erstaunlich und bisher nicht so bekannt ist der hier in der Studie hergestellte Zusammenhang mit ungenügender Vitamin D-Versorgung, zumal robust, weil es spiegelabhängig ist, bedeutet je geringer, je schlechter. Vieles spricht für die Wichtigkeit des Vitamins, wobei man eigentlich von einem Hormon sprechen sollte in Anbetracht der vielen Aufgaben, bei denen Vitamin D gebraucht wird. Dies ist ein wichtiges Ergebnis, da bisher keine guten Studien (RCT=randomisierte kontrollierte Studien) existieren, die bei Zugabe von Vitamin D eine klare Besserung von Beschwerden oder Symptomen je nach Studie belegte. Im Gegenteil wurden sogar Ergebnisse gefunden, die z.B. keine Reduktion von Knochenbrüchen  bei Gabe von 2000I.E. pro Tag über mehr als 5 Jahre, was völlig unserem biologischem Verständnis widerspricht. Unisono gilt, dass in den Studien weder der Spiegel der Studienteilnehmer getestet noch ein gesunder Zielspiegel, ähnlich wie beim Blutdruck, festgelegt und kontrolliert wurde. Zudem wird sehr oft zu wenig substituiert (wie o.g. Studie). Dies hier also endlich mal ein klarer Hinweis auf die gesundheitliche Bedeutung und Wirksamkeit des Vitamins.

Dass Schlafstörungen nicht auffällig in der Studie sind erstaunt und belegt einmal mehr, obwohl die Studienlage ziemlich klar für einen ursächlichen aber auch wechselseitigen Zusammenhang mit Demenz spricht, dass subjektive Befragungen oder Fragebögen zur Schlafquantität und -qualität oft fehlerhaft sind und die Häufigkeit von Schlafstörungen unterschätzen. Dies ist auch meine Erfahrung aus vielen Schlafberatungen (s.a. meinen Blog zu Schlaf).

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