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Die Alterswissenschaften haben in den letzten 30 Jahren große Erfolge in Erforschung der biologischen Grundlagen des Alterns erreicht; das sollte Jeden interessieren!
Nach erstmaliger Veröffentlichung der “Kennzeichen” vor zehn Jahren, “Hallmarks of Aging“, sind die neuesten Erkenntnisse der Altersforschung (Geroscience) nun überarbeitet und zusammengefasst worden. Die vormals dargestellten neun Faktoren wurden nicht nur bestätigt, es sind zwei neue Faktoren hinzugekommen. Hier werden folglich die gesicherten, wissenschaftlichen Grundlagen, demzufolge die biologischen und physiologischen Prozesse, beschrieben, die das Altern bei uns Menschen bewirken.
Warum konnten die Faktoren beschrieben werden bzw. was sind die Kriterien dieser “Kennzeichen”?
1. Es sind zeitabhängige biologische Veränderungen, die sich im Verlauf, zunehmend im Alterungsprozess, einstellen.
2. Es besteht die Möglichkeit diese Veränderungen und Faktoren einzeln experimentell zu verstärken, den Prozess folglich zu beschleunigen, den Altersungsprozess folglich zu beschleunigen.
3. Und es besteht umgekehrt die Möglichkeit, diese Veränderungen und Faktoren über therapeutische Massnahmen nachweislich jeweils zu bremsen oder sogar umzukehren.
Auch wenn dies einzeln unterscheidbare Prozesse sind, bestehen starke Wechselbeziehungen bzw. gegenseitige Abhängigkeiten, d.h. die Faktoren beeinflussen sich wechselseitig. Für die grundlegenden Kriterien und Faktoren liegen ausreichend sichere Erkenntnisse aus vielfachen Tierstudien und inzwischen auch an Menschenaffen (Primaten) und Menschen mit objektiver Quantifikation vor.
Es betrifft folglich einfach gesprochen das Missverhältnis zwischen dem chronologischen und dem biologischen Alter, was als Effekt hinter diesen Ergebnissen steckt. Alterung kann schneller oder langsamer erfolgen. Jeder kennt 60jährige, die deutlich vorgealtert wirken, geistig und körperlich, andererseits aber Mittachtzigejährige, die man mehr als zehn Jahre jünger schätzt und “fit wie ein Turnschuh” sind (wie es kürzlich ein Patient treffend beschrieb).
Ein großes Manko besteht leider darin, dass wir bisher keinen “Biomarker” für das Altern sicher kennen, also einen Messwert der Alterung ausreichend gut abbildet. Dennoch, nichtsdestotrotz, diese Kennzeichen werden in der Anti-Aging-Medizin (Geroprotection) gezielt behandelt.
Es ist wegen des hohen Energieverbrauches des Gehirns, es wiegt 2% unseres Körpergewichtes verbraucht aber 20-25% der Körperenergie, nicht verwunderlich, dass neurologische Krankheiten weltweit die “Nr. 1” in Verursachung von Lebensjahren mit Behinderungen sind. Schlaganfall (42%), Migräne (16%), Demenz (10%), Epilepsie (5%) oder Parkinson (4%) sind die wichtigsten.
Aufgrund dieser Daten startete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in 2022 eine Initiative: “Brain Health“. Sie ruft auf, die Gehirngesundheit über die gesamte Lebensspanne zu optimieren: “Optimizing brain health across the life course“.
Jetzt wird es (sehr) wissenschaftlich, denn die Faktoren sind:
1. Genom-Instabilität (genomic instability)
Genetische Störungen der Zellen durch endogene und exogene Faktoren führen zu einer Beeintächtigung der Genomintegrität und Genomstabilität, sodass diese zu Störungen und einer fehlerhaften DNA-Vervielfältigung führt, die jedoch erforderlich sind, dass die Zellen ihre Aufgaben korrekt erfüllen können.
2. Telomer-Abnutzung (telomere attrition)
DNA-Beschädigungen am Ende von Chromosomen (Telomere) bedingen, dass Enzyme der DNA-Vervielfätigung (replicative DNA polymerases) unfähig werden, eine korrekte und vollständige Kopie der gewünschten DNA-Sequenz herzustellen. Zudem führen wiederkehrende Zellteilungen im Verlauf des Lebens zunehmend zu Telomerkürzungen, die Genominstabilität bewirken und letzlich zu Zelltod oder Zell-Senezenz (“Stillstand”) führen.
3. Epigenetische Änderungen (epigenetic alterations)
Epigentik, kurz gesprochen sind dies Programme, die die einzelnen Gene ablesen, erfahren lebenslang Abweichungen, durch äußere Faktoren, was Anpassungen an die Umwelt bedeutet. Diese werden DNA-Methylisierungsmuster genannt. Veränderungen bewirken, dass bestimmte Gene hochreguliert, z.B. die akuten Entzündungsreaktionen, oder herunterreguliert werden, so z.B. die spezifische Immunabwehr. Dies resultiert in der Entwicklung zunehmender, altersabhängiger Krankheiten, z.B. Krebs.
4. Einbußen des Eiweißstoffwechsels (loss of proteostasis)
Beeinträchtigungen im Einweißhaushalt und der Eiweißhomöostase (Gleichgewicht) führen zu einer Anreicherung falscher, fehlgefalteter oder fehlumgebauter Proteine, die im Weiteren sich zu intrazellulären (z.B. Tau) oder extrazellulären (z.B. Beta-Amyloid) Proteinhaufen (Plaques) anreichern. Diese werden toxisch und schädigen zunehmend den Zellstoffwechsel, bedeutet Zellen können ihre Arbeit nicht mehr erfüllen.
5. Beeinträchtigungen der Makroautophagie (disabled macroautophagy)
Der körpereigene Recyclingsprozess (autophagy), der verbrauchte Zellen, Organellen, z.B. Mitochondrien, und komplexe Stoffe abbaut und wiederverwendet, der folglich für die Einweißhomöosthase von eminenter Bedeutung ist, wird zuehmend gestört. Der “Müll” reichert sich an und stört Zellfunktionen.
6. Beeinträchtigungen der Nährstofferfassung (deregulated nutrient-sensing)
Die allgegenwärtige körperliche Nährstoffüberwachung ist ein uralter, wichtiger, evolutionär erhaltener Prozess. Extrazellulär an Rezeptoren angelagerte Stoffe, z.B. Insulin, und intrazelluläre Signalkaskaden werden auf ihre Intaktheit überwacht. Dies ist eine ständige Qualitätskontrolle des zellulären Stoffwechsels, der zunehmend fehleranfällig wird.
7. Mitochondrien-Felhfunktionen (mitochondral dysfunction)
Mitochodrien sind nicht alleine die Kraftwerke der Zelle, sondern bewirken ebenfalls eine ständige Entzündungsreaktion über die Produktion von giftigen reaktiven Sauerstoffmolekülen. In geringen Mengen fördern diese die Anpassung, z.B. infolge sportlicher Aktivität den Muskelaufbau. Diese Stoffe können sich erheblich Vermehren wenn Beeinträchtigungen der chemischen Abläufe in den Mitochondrien ansteigen, wodurch eine erhöhte Wanddurchlässigkeit der Mitochondrien entsteht, sodass die reaktiven Sauerstoffmoleküle nicht mehr kompensiert werden können und für die Zellen giftig werden.
8. Zelluläre Seneszenz (cellular senescence)
Zelluläre Seneszenz ist eine Zellreaktion, quasi ein Stillstand, bewirkt durch akute oder chronische Schädigungen infolge entstandener Telemerkürzungen. Die DNA kann nicht mehr qualitätsgerecht “richtig” gelesen werden, dadurch stoppt der Lesevorgang. Mit dem Alter reichern diese Stillstandzellen je nach Gewebe bis zu 20fach an. Sie produzieren jedoch noch chemische Stoffe (quasi Stoppsignale), die die Funktionen anderer Zellen beeinträchtigen.
9. Stammzell-Erschöpfung (stem cell exhaustion)
Viele Zellen in unserem Körper werden lebenslang ständig erneuert. Z.B. nimmt man für den Hippokampus im Gehirn (der für Lern- und Erinnerungsaufgaben die wichtigeste Region ist) an, dass im Verlauf des Lebens 30% der Zellen ersetzt werden. Bei Blutzellen oder der Haut z.B. kann dieser Austausch- und Erneuerungszyklus wenige Tage dauern. Diese Organerneuerung und Reparatur erfolgt über oragnspezifische Zelltypen, z.B. Basalzellen in der Haut. Diese Fähigkeit der Erneuerung infolge von Schäden nimmt im Laufe des Lebens zunehmend ab; dies ist z.B. an der Heilungsdauer bei Hautverletzungen einfach zu beobachten.
10. Beeinträchtigungen der zwischenzellulären Kommunikation (altered intercellular communication)
Mit Beeinträchtigungen der interzellulären Signalübertragung werden Informationen “unscharf”, mehr “Rauschen” entsteht, sodass die homöostatische Regulation beinträchtigt wird, z.B. die Ausschüttung von Hormonen wie Insulin oder Botenstoffe wie Dopamin oder Acetylcholin werden gestört, sodass z.B. Stoffwechselreaktion ungenügend werden.
11. Chronische Entzündungen (chronic inflammation)
Eine Hauptursache des vorhergenannten Faktors ist eine chronische niedriggradige (“low level”) Entzündung, auch “inflammaging” (Entzündungsalterung) genannt, die bei allen chronischen Krankheiten eine fundamentale Rolle spielt. Der Anstieg von Entzündungsproteine, wie z.B. CRP (C-reaktives Protein) oder IL-6 (Interleukin-6), kann, ohne dass Symptome vorliegen, auf einem niedrigem Nievau Störungen des Stoffwechselns verursachen. Diese können aber z.B. als Biomarker bei Blutuntersuchungen verfolgt werden.
12. Dysbiose (dysbiosis)
Die mikrobielle Besiedlung des Darmes (Mikrobiom) bzw. deren Abweichungen offenbart in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung für Gesundheit und Krankheiten. Wir wissen, dass diese Darmkeime uns mit wichtigen Stoffwechselprodukten, z.B. Vitamine und kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) versorgen, die ein gesundes Gehirn bereits in den ersten Lebensjahren dringend benötigt. Eine gesunde Darmflora vermittelt maßgebliche Signale an das zentrale Nervnensystem, sodass von einer “Darm-Hirn-Achse” gesprochen wird. Mit dem Alter stellen sich deutliche Veränderungen der Zusammensetzung der Damflora ein, “good guys” nehmen ab während “bad guys” sich vermehren, was Dysbiose genannt wird.