Rufen Sie uns an 0721 669801-11 oder schicken Sie uns eine E-Mail info@praxis-drstienen.de

Tel: 0721 669801-11

In eine Zukunft, in der die Alzheimer-Demenz verhindert werden kann.

Eine Botschaft vom weltbekannten Alzheimer-Centrum Amsterdam: In Richtung einer Zukunft, in der die Alzheimer-Krankheit gestoppt wird, bevor es zur Demenz kommt.

Neues aus der Alzheimerforschung ist Neues für Karlsruhe. Die oben genannte Überschrift eines aktuellen Artikels von einer äußerst angesehenen, ja führenden Alzheimer-Forschungsgruppe, dem Alzheimer-Centrum Amsterdam, Niederlande, bringt es auf den Punkt. Wir werden in Zukunft die Alzheimer-Krankheitsprozesse rechtzeitig stoppen können, bevor es zu einer schwerwiegenden Hirnleistungsstörung kommt, die eine Demenz bedeutet, also personelle Unterstützung zur Bewältigung des täglichen Lebens.

Um dies jedoch zu erreichen, so der Artikel, wird es einer personalisierten Medizin bedürfen, die eine auf jeden Patienten spezifische, gezielte Diagnostik benötigt, die eine Risikovorausschau erlaubt und folgend eine personalisierte Prävention bereits im frühen Stadium ermöglicht. Die Zukunft dieser personalisierten Präventionsstrategie muss mehrere Komponenten umfassen, eine Kombination von allen Maßnahmen zur gezielten Krankheitsmodifizierung und zudem gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensstils.

Es ist die Aufgabe den rasch zunehmenden Demenz-Erkrankungszahlen entgegenzuwirken. Weltweit leiden mehr als 300 Millionen Menschen als Alzheimer im präklinischen, also noch symptomlosen, Stadium. Die Prävention ist im großen Stil strukturell in den nationalen Gesundheitsdiensten umzusetzen und benötigt eine breite öffentliche Beteiligung und Kampagne, die Gesundheit mit Prävention in den Mittelpunkt stellt. Dies ist die Zukunft der personalisierten Medizin, in der jeder Patient “seine” Therapie erhält.

Aktueller wissenschaftlicher Stand ist, dass die Krankheitsprozesse der Alzheimer-Krankheit bereits 20 bis 30 Jahre vor dem Einsetzen von schweren Hirnleistungsstörungen (=Demenz) manifest sind. Dies bedeutet ein langes zeitliches Fenster, um wirksame Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Diese müssen auf das persönliche Risikoprofil, die Präferenzen des jeweiligen Patienten, das Stadium der Krankheit und das Fortschreiten der Beschwerden hin genau abgezielt sein.

Die World Health Organisation (WHO) veröffentlichte bereits 2017 einen “Global Action Plan“. Dieser beschreibt ausführlich welche Präventionsmaßnahmen, medikamentöse und nicht-medikamentöse, alle wirksam sind und auf nationaler Gesundheitsebene umfassend zu ergreifen sind. Hierbei ist der Fokus auf Risikoreduktion der zentrale Leitgedanke.

In den USA sind bereits zwei Medikamente gegen das sich im Gehirn ablagernde ß-Amyloid für die frühe Alzheimer-Krankheit, wenn bereits erste Hirnleistungsstörungen aufgetreten sind, zugelassen: Adenacumab und Lecanemab. Es ist zu erwarten, dass weitere dazu kommen werden. Lecanemab wird wahrscheinlich in 2024 auch in der EU zugelassen. Wer genau diese Medikamente und zu welchem Zeitpunkt der Erkrankung erhalten soll, ist noch in Diskussion, jedoch muss, soweit ist die Datenlage klar, es ein früher Behandlungszeitpunkt sein. Eine Behandlung im späten Krankheitsstadium wiegt die Risiken von Nebenwirkungen nicht mit dem Vorteilen auf.

Es wird einen erheblichen medizinisch-organisatorisch und ärztlichen Aufwand in Zukunft bedeuten, die passenden Patienten auszuwählen. Aber, diese Medikamenten werden nicht genügen. Aktuelle klinische Studien untersuchen weitere 143 Medikamente, um die Krankheit zu bessern. Die Medikamente zielen nicht nur auf das ß-Amyloid, sondern auch auf Tau (das andere sich ablagernde Eiweiß), Entzündungsprozesse, synaptische Plastizität u.a.. Es wird somit in Zukunft ein Portfolio von Behandlungsoptionen im präklinischen, nicht-symptomatischen Zustand geben. Hierbei spielen Alzheimer-Risikogene, insbesondere APOE, eine wichtige Rolle. Es wird in Zukunft eine umfassende genetische Untersuchung brauchen, um das genetische Gesamtrisiko zu berechnen, denn es gibt Gene, die die Demenzentwicklung bremsen und verhindern.

Es ist inzwischen unbestritten, dass Lebensstilinterventionen mindestens 40% der Demenzkranken verhindern könnten, wenn zwölf Risikofaktoren adäquat angegangen würden. Risikofaktoren variieren über die Lebensspanne von frühem kindlichem Alter, mittleren Erwachsenenalter bis im hohem Alter, deswegen sind die Maßnahmen gezielt und personalisiert notwendig.

Die große finnische Präventionsstudie (FINGER) bewies in einem multimodularen Behandlungsverfahren die Wirksamkeit, Patienten besserten ihre Hirnleistungen. Inzwischen gibt es ein weltweites Netzwerk (World Wide FINGERS), um diese diese Präventionserfolge in verschiedenen Ländern zu wiederholen. Wir dürfen auf Ergebnisse gespannt sein.

Es erfordert jedoch eine öffentliche Beteiligung, um diese Präventionsmaßnahmen in einem breiten Maße umzusetzen und anzubieten. In den Niederlanden wurde deswegen eine öffentliche Initiative gestartet: ABOARD ist eine Gesundheitskampagne, die alle niederländlichen Bürger erreichen soll, um das Risiko der Alzheimer-Krankheit zu bestimmen und sich frühzeitig an einem Präventionskonzept beteiligen zu können. Hierbei geht es um die Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntisse für eine breite Anwendung in der Gesellschaft.

Eine frühzeitige Diagnose durch einfache Hirnleistungstests können helfen. Es benötigt jedoch weitere diagnostische Kriterien durch umfassende Hirnleistungsuntersuchungen und molekulare Biomarker, ob im Nervenwasser, oder absehbar auch im Blut, um die Alzheimer-Krankheit klar zu diagnostizieren.

Sicherlich werden digitale Anwendungen eine zunehmende Rolle spielen. Hirnleistungstestung und Fragebögen können auch online und am Computer zur Diagnosestellung helfen. Bereits jetzt gibt es Apps, die rezeptiert werden können (z.B. NEOTIV) und zur Diagnostik beitragen. Diese digitalen Anwendungen sind bisher nur wenig in Gebrauch, werden aber zwingend in der Zukunft bei fehlendem Personal zum Einsatz kommen. Hierfür bedarf es ein Hinführen der Menschen. Mit den Ergebnissen der diagnostischen Untersuchungen kann ein individuelles Risikomodell erstellt werden. Hierbei spielen natürlich auch andere Krankheiten, kardiovaskuläre Faktoren und Lebensstil eine Rolle.

Einfach gesprochen: Menschen ohne Hirnleistungsstörungen, die jedoch positiv sind auf ß-Amyloid und Tau haben eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass dies fortschreitet und über kurze Zeit zu Hirnleistungsstörungen bis zur Demenz führt. Insofern sind zudem ethische Aspekte von großer Bedeutung. Wie ist damit umzugehen, wenn Alzheimer-Biomarker vorliegen aber keine aktuelle Beschwerden bestehen? Darf diese Information zurückgehalten werden oder müssen Sie der/dem Betroffenen mitgeteilt werden, um über sein eigenes Krankheitsrisiko Bescheid zu wissen? Dies erfordert einen höchst individuellen fachärztlichen Beratungsprozess, der Zeit in Anspruch nimmt.

Wir sind an einem Wissensstand angelangt, an dem die Antwort “Man kann nichts machen.” völlig falsch ist. Die Krankheit, insbesondere im frühen aber auch leichten Stadium, kann maßgeblich behandelt werden. Gezielte Präventionsmaßnahmen stehen im Mittelpunkt der individuellen, aber auch der nationalen Gesundheitsstrategie. Hierbei erfordert es, den Menschen Informationen anzubieten, dass sie bei den Entscheidungen der Krankheitsprävention eine persönliche Wahl treffen können.

Mein Kommentar zu diesem bemerkenswerten Artikel kann nur lauten: Endlich! Genau diese Behandlungsstrategie versuche ich Ihnen, meinen Patienten, bereits seit 2017, dem Beginn meine Arbeit in meiner Praxis und in meinen Alzheimer-Vorträgen zu vermitteln. Insofern freut es mich, dass jetzt auch ein renommiertes Alzheimer-Zentrum dafür plädiert. Deswegen war es umso mehr enttäuschend, als ein kürzlicher Artikel der deutschen universitären Gedächtnisambulanzen sich auf Probleme der Diagnostik und die neue medikamentöse Behandlung fokussierte und – mal wieder – Präventionsstrategien ignorierte. Dies führte zu meinem Leserbrief an das Deutsche Ärzteblatt, der überraschenderweise veröffentlicht wurde: Es braucht – wie in Holland – eine öffentliche Gesundheitskampagne zur Prävention der Alzheimer-Demenz.

Menü