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Die medizinischen Erkenntnisse über neurologische Störungen, die bei COVID-19 eine besondere Rolle spielen, nehmen rasch zu. Dies ist Neues aus der Neurologie und Neues für Karlsruhe!
Ein unbekannter Virus überfällt die Menschheit, genannt SARS-CoV-2 (SARS=schweres akutes Atemwegssyndrom, CoV=Coronavirus). Corona=Krone ist eine Aussehensbeschreibung; und „2“, weil wir den ersten Virus dieser Art von der Sars-Epidemie 2002/2003 in Asien kennen. Wir haben keine Immunität gegen ihn, da wir ihm bisher nicht begegneten, was ihn gefährlich macht, zumal er sich bei hoher Ansteckbarkeit vorwiegend durch Aerosole und Tröpfchen der Atemluft rasch ausbreitet. Nach Erstentdeckung in Wuhan/China im Dezember 2019 wird die Krankheit deswegen Coronavirus-Disease=COVID-19 von „2019“ genannt. Inzwischen erreichte der Virus weltweit alle Kontinente, die Ausbreitung schreitet weiter fort. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostizierte bereits im März 2020 zurecht, dass der Virus nie mehr verschwindet: Wir werden mit „ihm“ leben müssen. Seit Sommer 2020 belegten Forschungsergebnisse, dass der Virus Mutationen (D614G) entwickelte, der das Eindringen in Schleimhautzellen erleichterte, aber die Schwere der Krankheit nicht veränderte und lange die vorherrschende Verbreitung in 2020 betraf. Im Dezember 2020 wurde eine neue Variante in Großbritannien entdeckt (B.1.1.7/501Y.V1/Alpha). Dieser Typ besaß eine höhere Ansteckbarkeit, in KW4 in 2021 war der Anteil der Infizierten nur 5,6%, in KW21 dominierte dieser mit 94% das Infektionsgeschehen bei uns. Diese Variante war gefährlicher, die Todesrate um 61% bis 67% erhöht. Jedoch weitere Virusmutanten wurden bei uns Ende 2021 aus Südafrika (B.1.351/501Y.V2/Beta) und aus Brasilien (B1.1.28 P.1/501Y.V3/P.1/Gamma) und Indien (P.1.617.2/Delta) festgestellt. Diese letzte Virusvariante (Delta) erhöhte sich zur dominierenden in der Ausbreitung in 2021. Sie war leichter übertragbar und ansteckungsfreudiger und Daten zeigen zudem höhere Raten an Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit, Intensivpflichtigkeit und Tod. Die seit Dezember 2021 bekannten neuen Variante (Omicron/B.1.1.529 und B.2) bevorzugt gezielt infolge vieler Mutationen im Spike-Eiweiß Ungeimpfte und Personen mit geringem Immunschutz, sie waren erneut ansteckungsfähiger und verbreiteten sich zur dominanten Variante Anfang 2022. Jedoch ist der Anteil der Omikron-Sublinie BA.2 gesunken und die Infektionen wurden durch die ansteckenderen Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5 verdrängt. Diese beiden Varianten zeigten einen raschen Anstieg der Infektionszahlen im April 2022 und verstärkten den Infektionsdruck auf gefährdete, erkrankte Personengruppen. Wegen einem Ausweichen des Virus auf unsere Immunreaktion („immune escape“) sind Booster-Impfungen (4. Vakzination) dringlich geraten (s. STIKO-Empfehlungen 20.09.2022). Seit Oktober 2022 werden wir mit einer neuen Variante mit dem Namen „Höllenhund“ (BQ.1.1), ein Abkömmling von BA.5, heimgesucht, der durch mehrere Mutationen am Spike-Eiweiß ansteckungsfähiger ist und deswegen mit besserem „immune escape“ dominant wurde. Aber der nächste Typus (XBB.1.5) ist in der „Varianten-Suppe“ mit seinen Anteilszahlen bereits deutlich ansteigend.
Weltweit sind inzwischen (Stand 29.05.2023) über 766 Mill. Infizierte registriert und nach offiziellen Zählungen über 6,9 Millionen verstorben. In Deutschland sind bereits mehr als 174.000 verstorben, aktuell liegt die Zahl der täglich Versterbenden unverändert über 100 bei inzwischen mehr als 38 Millionen gemeldeten Infizierten. Wir müssen gleichwohl von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt nach Hochrechnungen (Stand vom 31.12.2022) eine Gesamt-Pandemie-Todesrate von 13,3 bis 16,9 Millionen Menschen an.
Im Zeitraum 12/2022 bis 03/2023 war für ungeimpfte Personen das Risiko, aufgrund von COVID-19 in einem Krankenhaus behandelt zu werden 6,2-fach (12- bis 17-Jährige), 2,3-fach (18- bis 59-Jährige) bzw. 5,3-fach (ab 60-Jährige) erhöht im Vergleich zu Personen mit Auffrischimpfung. Gegen schwere Verläufe wie COVID-19-assoziierte Hospitalisierung oder Tod zeigte die Auffrischimpfung bis zu 3 Monate nach der Impfung eine anhaltend hohe Effektivität zwischen 78 % und 94 %.
Gemäß einer Studie an 920 deutschen Kliniken bei über 10.000 COVID-Fällen benötigten während der ersten Infektionswelle 17% der Krankenhauspatienten eine Beatmung auf Intensivstation wovon die Hälfte (53%) starben; die Todesrate (=Mortalität) aller stationär Behandelter war 22%, Männer verstarben doppelt so häufig wie Frauen.
Die größten Risikobereiche für eine Ansteckung sind geschlossene Räumlichkeiten ohne Schutzmaßnahmen und naher Personenkontakt, Umkreis bis 1,5 Meter, über länger als 10 Minuten. In verschiedenen Studien wurde berechnet, zu welchem Zeitpunkt 95% der Infizierten Symptome entwickelten, dabei lag das 95. Perzentil der Inkubationszeit bei 10 bis 14 Tagen.
Die Vermutung, dass der Virus über Ausschwemmung aus der Lunge oder über die Nasenschleimhaut und das Riechsystem in das Gehirn einwandern kann, ist mehrfach bestätigt. Der Virusnachweis in einzelnen Zellen und Nerven deutet auf eine lokalisierte Vermehrung und Beeinträchtigung spezifischer Gehirnfunktionen, z.B. der Atmungsregulation. Neurologische Symptome sind folglich wohl eine indirekte Folge der Virusinfektion. Typische Entzündungsmuster im Nervenwasser fehlen zwar, aber es zeigt sich eine Entzündungsreaktion, die in diesem Ausmaß („Zytokinsturm“) nicht bekannt war. Mikroskopische Untersuchungen an Gehirnen von COVID-19-Verstorbenen zeigen zudem – sehr ungewöhnlich – viele Mikroinfarkte mit Blutgerinnseln und das Vorhandensein von Sars-CoV-2 in den innersten Wandschichten kleiner Gefäße, was eine Entzündung (Vaskulitis/Endothelitis) bedeutet, weswegen dies infolge Blutgerinnselbildungen die Gefäße verstopft und Hirninfarkte verursachen kann.
Inzwischen sind viele neurologische Symptome bekannt, die nach dem Zeitpunkt des Auftretens während COVID – früh, im Verlauf oder nach COVID – zu unterscheiden sind. Es wird von „Neuro-COVID“ gesprochen.
Typische neurologische Symptome bei Beginn können sein:
Etwa 10% der COVID-Erkrankten stellen sich mit einem manifesten neurologischen Krankheitsbild bei der Krankenhausbehandlung vor. Bei krankenhauspflichtigen COVID-Patienten entwickelten zwischen 36 bis 82 %, Studie aus China, Studie aus Spanien und Studie aus USA, teils schwere neurologische Komplikationen:
Berichte liegen zudem vor über:
Bekannte neurologische Syndrome in Folge von COVID-19=Post- und Long-COVID sind:
Um psychische Folgekrankheiten nicht zu vergessen:
Inzwischen sind auch bei leicht Erkrankten anhaltende Beschwerden, die das Alltagsleben beeinträchtigen, bekannt. Gemäß ersten Studien betrifft dies 10-20% der Erkrankten, je nachdem ob hospitalisiert, dann häufiger, oder nicht, mit länger andauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen über 12 Wochen hinaus gemäß der Definition. Dies bedeutet eine zunehmende Zahl an behandlungsbedürftigen Menschen nachdem die akute Infektion längst vorbei ist. Es wird von „Long-COVID“ (definitionsgemäß > 3 Monate) und von „Long-COVID“ gesprochen und zwischen 4 Typen unterschieden. Siehe auch meinen Blog hierzu.
Eine Nachbeobachtungsstudie an als geheilt aus Kliniken in Rom/Italien Entlassenen, Durchschnittsalter 56 Jahre und durchschnittliche Dauer der stationären Behandlung 13,5 Tage, zeigte, dass nach zwei Monaten noch 87% unter mannigfaltigen Beschwerden litten.
In einer weiteren Studie aus dem UK wurden 47.780 Patienten, Durchschitt 65 Jahre, über 140 Tage nach Entlassung aus Krankenhäusern verfolgt. Überraschend zeigte sich, dass ein Drittel der Patienten wieder ins Krankenhaus zurück musste und diese im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mehr als 8x häufiger verstarben. Drastisch erhöhte sich zudem das Risiko zu neuen chronischen Erkrankung, nicht nur Lungenkrankenheiten. Beste Botschaft aus dieser Studie: SARS-CoV2-Infektion bitte vermeiden.
Eine kleine Studie aus Deutschland, Universitätskliniken Düsseldorf belegte nicht nur anhaltende Hirnleistungsstörungen, sondern zudem Störungen des peripheren Nervensystems. Letzeres wird von einer Fallserie aus London bestätigt, die als typisches Merkmal eine immunvermittelte Störung des autonomen Nervensystems („immune-mediated disruption of the autonomic nervous system“) kennzeichnete.
Gemäß einer italienischen Untersuchung beklagten noch 6 Monate nach der Krankenhausbehandlung eine ganze Reihe der Patienten neurologischer Symptome und Beschwerden. Die häufigsten waren Müdigkeit (34%), Gedächts- und Aufmerksamkeitsstörungen (31%), Schlafstörungen (30%) oder Muskelschmerzen (29%).
Eine Studie der University of Washington/US verfolgte 234 leicht COVID-Erkrankte über den Zeitraum von durchschnittlich 6 Monaten (31 bis 300 Tage), die meisten mussten in der Akutphase nicht in die Klinik. Die Ergebnisse offenbarten, dass nur 6,2% völlig wieder hergestellt und beschwerdefrei waren. Die am häufigsten anhaltenden Symptome waren in dieser Studie ein chronisches Müdigkeitsgefühl und Beeinträchtigungen des Riechens.
Gemäß einer Studie aus den UK an mehr als 400 COVID-Fällen (Alter 51-81 Jahre) und Vergleich zu einer Normalgruppe, über einen Zeitraum von durchschnittlich 141 Tagen, wurde bildgebend festgestellt, dass es auch bei leicht Erkrankten in verschiedenen Hirnregion zu einer Schrumpfung kam. Dies wirkte sich ebenfalls nachweislich auf die Hirnleistungsfähigkeit aus, bedeutet: deren Leistungen waren signifikant schlechter. Bemerkenswert war zudem, nicht unerwartet, dass, je älter die Menschen waren, desto ausgeprägter zeigte sich der Unterschied zu den nicht an COVID Erkrankten.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass man als Hauptmerkmal von einem anhaltenden Entzündungsprozess in mehreren Organen, in vielen kleinen Gefäße, und von Beeinträchtigungen des vegetativen, autonomen Nervensystem, das weitgehend unbemerkt unsere inneren Organe steuert, ausgehen kann. Zudem liegen inzwischen Daten vor, das der Virus sich in verschiedenen Organen, so z.B. in Lungen-, Fett- und Hirngewebe, verstecken kann, also vom Immunsystem nicht vollständig beseitigt wird. Zudem: das „microvasculare system“ scheint eine einzige „große Wunde“ zu sein, die heilen muss. Noch haben wir keine passenden Medikamente. Jedoch kann der Heilungsprozess über die gesundheitlich förderliche Lebensstilfaktoren, z.B. belastungsadaptiertes aerobes Training, Stressvermeidung, gesunder Schlaf und gesunde Ernährung, unterstützt werden.
Ein Überblick zum neuesten Forschungstand ist die aktuelle Leitlinine der deutschen ärztlichen Fachgesellschaften vom 17.08.2022. In einem Artikel der Nature wurde die bemerkenswerte Hypothese diskutiert, dass Long-COVID, ähnlich wie schwere akute COVID-Verläufe, eine Autoimmunkrankheit sein kann: „SARS-CoV-2 is like a nuclear bomb in terms of the immune system!“ Aktuell (06/2022) konnten sich drei Therorien zur Ursache von Long-COVID herausarbeiten lassen: 1. Persistenz (Weitervohandensein) von Sars-CoV2 in bestimmten Geweben, also eine nicht vollständige Abräumung des infizierenden Virus. 2. Kleine Blutverklumpungen in kleinen Gefäßen auf der Grundlage eines anhaltenden entzündlichen Prozess (Endothelitis), der die Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff beeinträchtigt; und 3. ein „durchgedrehtes“ Immunsystem, das völlig aus dem Rahmen schlägt, Entzündungsprodukte bildet und nicht zur Ruhe kommt, wie nomalerweise nach einer Infektion. Möglicherweise ist es je nach Patient entweder das Eine oder das Andere, oder auch eine variable Mischung dieser drei Ursachen. Dies begründet die Problematik, dass nur eine patientengezielte Therapie helfen kann.
Weitere wichtige Fakten:
Nach den wirksamen Eindämmungmaßnahmen im Frühjahr 2020 sahen wir als Folge der Lockerungen und Reisetätigkeit letzten Sommer einen zunehmenden Wiederanstieg der Infizierten, anfangs noch lokal in Clustern, „Super-Spreading-Events“, wie z.B. der Tönnies-Ausbruch, dann aber wieder in allen europäischen Ländern zunehmend unkontrolliert weit verbreitet. Im November 2020 wurden mäßige „Lock-Down“-Maßnahmen veranlasst, obwohl die meisten Forscher striktere empfahlen. Die Zahlen gingen Ende 2020 nach oben, deswegen wurden Restriktionen im Januar 2021 verschärft, im März dann gelockert. Jedoch begann die „dritte Welle“ mit der neuen Variante (B.1.1.7) expotentionell zu wachsen. Neue Einschränkungen Ende März folgten, die jedoch die Verbreitung nicht aufhalten konnte, weswegen striktere, gesetzlich verankerte bundeseinheitliche Maßnahmen Ende April beschlossen wurden. Mit einem erhöhtem Impftempo konnte diese dritte Welle gebrochen werden. Folgend dominiert die Delta-Variante das Infektionsgeschehen und bei zunehmenden Öffnungen im Juli 2021 stiegen die Zahlen wieder. Wir befanden uns im Sommer 2021 in der vierten Welle, die vorwiegend durch das Infektionsgeschehen Nicht-Geimpfter, d.h. Jugendlicher und junger Erwachsener, von Reiserückkehrer aus dem Sommerurlaub zunächst angetrieben wurde. Im Herbst 2021 stiegen die Zahlen viel deutlicher als erwartet an, da sich Zuviele geweigert hatten, impfen zu lassen (ca 10%). Wir bezahlten dies uneinsichtige Verhalten mit vielen Toten und einer Katastrophenmedizin („Triage„) in den Krankenhäusern, d.h es zwang Ärzte in eine ethische Notlage, z.B. entscheiden zu müssen Wer ein Beatmungsgerät bekommt, wenn zwei Patienten dies brauchen, aber nur ein Gerät vorhanden ist.
Aus virologischer Sicht befinden wir uns seit Januar 2021 in eine „neuen Pandemiephase“. Der Virus mutierte in verschiedenen Regionen der Welt inzwischen mehrfach, um der menschlichen Immunabwehr zu entkommen („immune escape“) und um besser übertragbarer zu sein. Nur durch Verhinderung weitere Übertragungen, also einem geringen Infektionsgeschehen, werden wir seine weitere mutierende Optimierung zur Ausbreitung stoppen können. Wie erwartet sind mannifaltige Mutation entstanden, aktuell (08/2022) dominieren Omikron-Subvarianten das Infektionsgeschehen weltweit, die sich durch ein „immune escape“ auszeichnen. Dies bedeutet auch, dass wir mit weiteren Mutanten rechnen müssen, die unseren Imperfolg schmälern.
Da SARS-CoV2 eine „Zoonose“ ist, er neben Menschen in mehreren verschiedenen Tieren einen weiteren Wirt findet, wird er niemals veschwinden. Wie mit Grippeviren werden wir mit ihm leben müssen. Sars-CoV2 ist nun (10/2022) endemisch, dies bedeutet, Jeder wird früher oder später nochmals infiziert.
Die meisten Übertragungen gehen von nur wenigen Personen aus, sogenannten „Superspreader„, so begründen diese 10% insgesamt 80% der Gesamtübertragungen. Dies trifft auch für öffentliche Orte zu. Die „Durchseuchung“ (>90%) ist im Frühjahr 2022 weitgehend eingetreten.
Der Anteil präsymptomatischer Übertragungen, im Mittel zwei Tage vor Symptomen, wird auf 45% der Gesamtzahl an Übertragungen beziffert und die höchste Infektiosität besteht im Zeitraum um den Symptombeginn herum. Eine Omicron-Infektion bis erste Symptome auftreten (Inkubationszeit) dauert 2 bis 4 Tage. Je nach Schwere klingt die Infektiosität nach 5 bis 8 Tagen ab.
Die SARS-CoV2-Infektion kann je nach Studie zwischen 15 bis 45% ohne subjektive Beschwerden sein, also asymptomatisch; so verursachen diese Menschen ebenfalls, wenn auch geringer, die Weiterverbreitung. Dass die Definition „asymptomatisch“ problematisch ist zeigt, dass bei gezieltem Nachfragen und Wissen um die eigene Infektion gemäß Studien in Bad Feilnbach und Kupferzell, nur 16,8 bzw. 14,6% dies angaben; andere Studien an „Unwissenden“ gehen von bis zu 80% aus.
In 81% der Infizierten ist von einem milden und in 19% von schweren Verlaufsform auszugehen, d.h. die Infektion kann mit lebensbedrohlichen Komplikationen auch bei Jüngeren einhergehen. Genau dieser Aspekt wird bei erhitzter Diskussion gerne übersehen. Bemerkenswerterweise sind unter den schwer Erkrankten 10,2%, fast alles Männer (92%), die Antikörper gegen das eigene Immunsystem entwickeln, die normale Immunabwehr gegen den SARS-CoV2 folglich abschwächen. Weitere Studien fanden neue Autoantikörper (Anti-Phospholipid- und Anti-Annexin-A2-AK), die mit höherer Sterblichkeit verbunden sind. Hieraus leitet sich die begründete Hypothese ab, dass SARS-CoV2 vermehrt Autoimmunkrankheiten auslösen kann.
Wir kennen das akute Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome=ARDS), schwere Lungenentzündungen (Pneumonie), Herzentzündung (Myokarditis), Gefäßgerinnsel (Thrombosen), Nieren- und Multi-Organversagen. Deswegen sprechen die Forscher nach Untersuchungen an Verstorbenen inzwischen nicht mehr von einem Lungen-Virus, sondern von einem Multiorgan-Virus, d.h. es ist von einem gleichzeitigem Befall vieler Organe je nach Patient unterschiedlich auszugehen, der jedoch nicht vorhersehbar ist, da er von der genetischen Ausstattung der Eintrittspforten des Virus, ACE2- und NRP1-Rezeptoren, in die jeweiligen Zellen abhängt.
Die Rate der Verstorbenen an den gemeldeten Fällen ist 2,4% (CFR=case fatality rate) durchschnittlich in Deutschland (Stand 07/2021), im Vergleich z.B. Frankreich 15,5%. Hochrechungen zur Sterblichkeit, also Verstorben an den Infektion (IFR=infection fatality rate), offenbaren höhere Raten. Es versterben abhängig von risikoreichen Vorerkrankungen in den jeweiligen Altersgruppen:
– 35-44 Jahre ähnlich wie Influenza 0,05%,
– 45-54 Jahre immerhin 0,2%, also 4x soviel, wie Influenza,
– 55-64 Jahre schon 0,7%, somit bereis 10x mehr,
– 65-74 Jahre bereits 2,2%, also 30-mal(!) mehr als Influenza,
– 75-84 Jahre 7,3% und bei den
– über 85-jährigen etwa jeder Dritte.
Im Durchschnitt ist dieser SARS-Coronavirus 16-mal tödlicher als unsere Influenza-Grippeviren mit einer Sterberate von „nur“ 0,05%. Wir können uns aber dennoch glücklich schätzen, dass die Todesrate nicht höher ist, wie z.B. beim Nipah-Virus in Malaysia in 1999 mit 40-75%, der Anlass zum Hollywood-Thriller Contagion (2011) gab. Dieser Virus ist unverändert, neben anderen (z.B. MERS oder Schweinegrippe), auf einer Liste einer nächsten, möglichen Pandemie.
Daten von Vergleichsstudien zur Übersterblichkeit, also der Vergleich der Zahl der Verstorbenen mit Vorjahren belegen es unverkennbar. Gleichwohl ist dies unterschiedlich in den europäischen Ländern. In Deutschland war die Übersterblichkeit im April 2020 mit 10% erkennbar; zum Vergleich: Schweden, Italien und Spanien lagen über mehrere Monate um 40% erhöht. Beobachtungszahlen zeigten wieder erhöhte Zahlen ab der KW 43 seit Oktober 2020. Für das gesamte Jahr 2020 kam es gemäß Statistischem Bundesamt zu einem Anstieg der Übersterblichkeit um 4,9%, im Monat Dezember war es z.B. eine Erhöhung um 32%.
Leider erfahren Skeptiker, Verschwörungsfanatiker und Rattenfänger in sozialen Medien immer noch Aufmerksamkeit – „Infodemie“ von den Vereinten Nationen (UN) genannt. Bei Interesse an fachlichen Informationen nutzen Sie bitte als Informationsquelle das Robert-Koch-Institut (RKI). Die Breite und Tiefe der Daten und die Erklärungen dort ist für Europa ziemlich einmalig. Wenn Sie an der Lage der Welt interessiert sind kann ich die WHO als Adresse empfehlen. Die Daten zu verstehen, benötigt es allerdings Sach- und Fachwissen, weswegen journalistische Schlagzeilen nicht selten unzutreffend, unrichtig oder verdrehend zitieren.
Um Verschwörungsapologeten zu begegnen: genetische Untersuchungen widersprechen (bisher) einem Ursprung in einem chinesischen Labor in Wouhan/China, also einer willentlichen Manipulation durch Menschen. Natürliche Mutationen, genetische Veränderungen bei der üblichen Virusvermehrung, sind die wahrscheinlichere Ursache. Eine Untersuchungskommission der WHO war im Januar 2021 in Wouhan/China vor Ort, um dies zu recherchieren. Klare Ursachen wurden jedoch zur Bestätigung nicht in dem 300seitigen Abschlussbericht beschrieben, zusammenfassend heisst es, es sei „höchst unwahrscheinlich“, dass der Virus aus einem Labor komme. Eine mögliche Ausbreitungshypothese ist, dass Arbeiter von Wildtiergehegen, die weit in China verteilt sind, den Virus zusammen mit den Tieren nach Wouhan zum Huanan-Tiermarkt brachten, von wo aus er sich weiter ausbreitete. Es werden jedoch dringlich weitere Untersuchungen angemahnt, da nach Bekanntwerden von Manipulationen an Viren („gain-of-function-research“) und teils fehlenden Sicherheitsvorkehrungen in den chinesischen Labors und der Blockierung zuvor zugängiger chinesischer Forschungsdaten, die These eines „Lab-Leaks“ wieder auf dem Tisch liegt. Zu befürchten ist, dass wir keine Antwort auf diese Frage erhalten werden. Ein Vergleich: der russische Milzbrand-Unfall von 1979 wurde erst 20 Jahre später im Westen nach Zusammenbruch der Sowjetunion bekannt und ist bis heute nicht aufgeklärt.
Das Positive an der nun mehr als zwei Jahre andauerenden Pandemie ist, dass Ärzte inzwischen mit dieser Erkrankung viele Erfahrungen sammeln konnten. COVID-Patienten auf einer Intensivstation sind inzwischen zu Routinebehandlungen geworden. Mit diesen Erfahrungen und inzwischen hilfreichen Medikamenten (Dexamethason, Budenosid, Remdesivir, Blutverdünnung, Tocilizumab, monoklonale Antikörper-Therapie Molnupiravir und Paxlovid) sinkt die Mortalität.
Eine gute Nachricht ist zudem, dass nach einer SARS-CoV2-Infektion die neutralisierenden Antikörper nach bestätigten Untersuchungen etwa ein halbes Jahr einen Schutz vor erneuter Erkrankung ermöglichen. Deswegen wird zu einer Impfung ein halbes Jahr nach einer nachgewiesenen Infektion und eine Auffrischimpfung bei schlechter Impfwirkung (IgG-Ak gegen S1-Protein mit Euroimmun-Test) und bei älteren Menschen ab 70 Jahren geraten.
Weitere erfreuliche Nachrichten sind die Ergebnisse der Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna und auch von Oxford/Astra-Zaneca und Johnson&Johnson/Janssen. Alle bewiesen sehr gute Wirksamkeiten in der Vorbeugung von schweren Krankheitsverläufen, Krankenhausbehandlung oder Tod. Weitere Impfstoffe werden absehbar von den Zulassungsbehörden (PEI, EMA). geprüft und zugelassen. Es wurden als eine sehr seltene Nebenwirkung der Adenovirus basierten Stoffe von Astra-Zaneca und Johnson&Johnson/Janssen Fälle mit Sinusvenenthrombose, genannt „vaccine induced immune thrombotic thrombocytopenia (VITT)“ bevorzugt bei jungen Frauen (Geschlechtsverhältnis 4:1) festgestellt. Es treten 0,5 Fälle pro 1000 Impfungen schwerwiegende Nebenwirkungen auf, hiervon waren 0,5% tödlich (s. Sicherheitsbericht Paul-Ehrlich-Institut). Insofern ist es völlig verständlich, dass bei Vorhandensein anderer Impfstoffe junge Frauen einen RNA-basierten Impfstoff erhalten sollten. Die Forschung bemüht sich zu klären, wie unterschiedliche Erst- und Zweit-Impfstoffgaben und wie die verschiedenen Impfstoffe bei den Mutationen („VOC=Variant of Concern„) wirken, Daten weisen auf eine gute Wirksamkeit hin.
Zudem können auch Kinder bereits ab 6. Lebensjahr geimpft werden, um insbesondere die zwar seltenen, aber schweren Komplikationen PIMS (Paediatric Inflammatory Multisystem-Syndrome) und TSS (Toxic Shock-Syndrome) mit einer Sterblichkeit (ca. 1%), und Long-COVID (ca. 1-3%) zu verhindern.
Ein Blick in die Zukunft läßt vermuten, dass wir nach MERS, SARS-CoV1 und -2 in den nächsten Jahren mit einer neuen Virus-Pandemie rechnen müssen. Die WHO eröffnete deswegen ein neues Institut in Berlin zur Pandemie-Bekämpfung, -Beobachtung und -Erforschung.
Ich erinnere daran, dass der berühmte Arzt Rudolf Virchow 1848 schrieb: „Epidemien gleichen großen Warnungstafeln, an denen der Staatsmann von großem Stil lesen kann, dass in dem Entwicklungsgange seines Volkes eine Störung eingetreten ist, welche selbst eine sorglose Politik nicht mehr übersehen darf.“
Seit mehreren Jahren wurde vor einer Pandemie eindringlich gewarnt, die Politik weltweit ignorierte dies.