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Alzheimer-News 02/2021

Hier wieder das Neueste aus der Welt rund um die Alzheimer-Forschung. Wir wissen zwar immer mehr, aber bis zur Heilung von Alzheimer bleibt noch ein längerer Weg. Neues aus der Neurologie – Neues für Karlsruhe! 

  • Sind Gefäßprozesse bei der Alzheimer-Krankheit wichtig?
    Wir wissen bereits, dass im Spätverlauf der Alzheimer-Krankheit nicht mehr die genetische Risikoausstattung, sondern Gefäßkrankheitsprozesse die entscheidenden Faktoren einer weiteren Verschlechterung bis zum Versterben sind. Eine neue Studie belegt nun, warum dies so ist, und gibt Anlass zur Annahme, dass dies ein in seiner Bedeutung bisher unterschätzter Krankheitsprozess sein kann. Forscherinnen konnten entlang der arterio-venösen Gefäßachse verschiedene Zelltypen identifizieren, die ihre genetische Proteineigenschaften im Verlauf von Arterien, über Arteriolen (kleinste Arterien) zu den Venen abändern. Dieses Kontinuum ist selbstverständlich auch in Mäusen bekannt. Neu ist aber, dass sich spezifische Marker im Vergleich Maus-Mensch deutlich unterscheiden, z. B. ist das Thrombose fördernde Von-Willebrand-Gen bei Mäusen nur in Venen, bei uns Menschen aber im gesamten Gefäßsystem präsent. Bestimmte Zellen (Perizyten) waren überraschenderweise bei Menschen ebenso in den Venen, nicht nur in Arteriolen, aufzufinden und zudem dort mit erheblichen Unterschieden im genetischen Expressionsmuster. Dies deutet darauf hin, dass der Stoffwechselaustausch im gesamten Gefäßverlauf – wir besitzen ca. 60.000 km Gefäße im Gehirn – von hoher Bedeutung ist. Dies bedeutet jedoch auch, dass bisherige Mäuse kein passendes Modell in der Untersuchung der Gefäßprozesse bei Alzheimer  waren, ja bisherige Erkenntnisse deswegen mit Fragenzeichen zu versehen sind. Ein weiteres Ergebnis war, dass es in Alzheimer-Gehirnen bei Verstorbenen zu einem drastischen Verlust (ca. 50 %) dieser spezifischen Gefäßzelltypen kommt und in diesen Zellen eine besondere Ausprägung vieler Risikogene für Alzheimer (30 von 45 untersuchten) auffällig und bisher nicht bekannt war. Hieraus kann gefolgert werden, dass gefäßbedingte Störungen der Nahrungsversorgung und Abtransport verbrauchter Stoffwechselprodukte einen wichtigeren Stellenwert im Verlauf der Alzheimer-Krankheit darstellen als bisher vermutet. Zum Guten leitet sich hieraus gleichwohl plausibel ab, lebenslang für eine gute Durchblutung im Gehirn zu sorgen, z. B. durch Sport (s. mein Blog)!
  • Ein neuer Hoffnungsschimmer?
    Als erstes Alzheimer-Medikament gegen das bei Alzheimer sich im Übermaß im Hirn ablagernde Protein β-Amyloid konnte Donanemab in einer Phase-2-Studie erfolgreich das angestrebte klinische Primärziel erreichen: nach 76 Behandlungswochen eine Minderung von 32 % der Abnahme (von 6,86 statt 10,06 Punkten) gemäß der Integrated Alzheimer’s Disease Rating Scale. Wohlbemerkt: Auch bei diesem Medikament wird die Erkrankung nicht geheilt, sondern „nur“ der fortschreitende Abbau der Hirnleistungen gebremst. Dennoch ist es ein Erfolg und belegt die Bedeutung der zuletzt umstrittenen β-Amyloid-Hypothese nach vielen fehlgeschlagenen Studien. Bemerkenswert ist zudem, dass bei zwei Dritteln der Studienteilnehmer die Amyloid-Plaques im Gehirn weitgehend verschwanden und die neurofibrillären Tau-Bündel vermindert werden konnten. Letztere sind es, die aktuell besser als die Amyloidablagerungen mit dem Verlust der Hirnleistungen korrelieren. Das bedeutet: Die Zunahme der Tau-Ablagerungen im Gehirn folgt dem Verlust der Hirnleistungen und dem Fortschreiten der Krankheit. Es bleibt jedoch die Frage, ob denn die Patienten und ihre Angehörigen eine Minderung der Verschlechterung als Folge des neuen Medikamentes bemerken. Das Ergebnis bedeutet nämlich, dass über den Verlauf von 18 Monaten ein Bremsen von sechs Monaten im Krankheitsverlauf erreicht werden konnte. Wichtiges Merkmal der Behandelten war, dass alle Behandelten in einer frühen symptomatischen Phase nur leichte Hirnleistungsstörungen (Mini Mental State Examination = MMSE war im Durchschnitt 23,6 Punkte) und nur mäßige Tau-Ablagerungen aufwiesen. Dies ist ein Symptomniveau, das viele Menschen fälschlicherweise als „normales Altern“ bezeichnen und deswegen keinen Arzt aufsuchen. Eine klare Unterscheidung im Therapiedesign zum APOE-Typus erfolgte leider nicht. Auffällig war jedoch, dass ein Drittel der APOE4-Patienten (keine Unterscheidung mono- oder heterozygot) über Nebenwirkungen in der Therapie berichteten und deswegen viermal häufiger (40 % vs. 9 %) die Behandlung abbrachen, was folglich über die besonders risikobelastenen APOE4-Träger keine gute Ergebnisaussage erlaubt. Dennoch: Bei gezielter Patientenauswahl, insbesondere bei Beachtung des APOE-Typs, verspricht dieses Medikament, mittelfristig eine positive Behandlungsoption im frühen symptomatischen Stadium mit leichten Hirnleistungsstörungen werden zu können.
  • Eine weitere gute Nachricht?
    Bisher waren keine Daten vorhanden, welche die Wirksamkeit von Acetyl-Cholinesterase-Hemmern (AChEH) im Langzeitgebrauch belegten. Genau dieses Manko war Anlass der Studie, in der Patienten bezüglich Hirnleistungsabbau (MMSE bei Beginn 21,2 Punkte) und Sterberate über fünf Jahre untersucht wurden. Es handelte sich um Patienten des Schwedischen Demenz-Registers, die innerhalb der ersten drei Monate nach Diagnosestellung AChEH erhielten, und solche, die keine AChEH bekamen, Insgesamt waren es 11.652 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 81 Jahren, davon 58 % mit Alzheimer und der Rest mit anderen Demenz-Typen. Im Verlauf der fünf Jahre entwickelten 255 Patienten eine schwere Demenz und 6.055 starben. Die Testergebnisse bei den Behandelten waren durchschnittlich signifikant besser (0,13 Punkte im MMSE) bei einem durchschnittlichen Fortschreiten des Abbaus (-1,62 Punkte pro Jahr). Dies bedeutet, dass 4,0 vs. 10,2 % pro 1.000 Personenjahre eine schwere Demenz entwickelten. Dies ist zwar „statistisch signifikant“, enttäuscht aber etwas bezüglich der Symptomatik, wobei eine mäßige Wirkung durchaus bekannt war. Zudem, und das war das Überraschende an der Studie, reduzierte sich bei den Behandelten das Sterberisiko um bemerkenswerte 27 %. Von den benutzten Medikamenten Donepezil, Rivastigmin und Galantamin zeigte letzteres die höchste Wirksamkeit und den stärksten Effekt auf den Hirnleistungsabbau. Unterschiede zwischen den Demenz-Typen wurden nicht gefunden. AChEH sind folglich für die Hirnleistungen zwar vorteilhaft, aber leider nur gering und im Alltag nicht entscheidend erkennbar wirksam, bewirken aber eine deutliche Reduzierung des Sterberisikos, das sich nicht auf Wirkungen im Gehirn limitieren lässt.
  • Anreize für Forscherinnen?
    AlzGerm ist eine Stiftungsinitiative, die Forscherinnen für eine bahnbrechende Entdeckung 1 Millionen Dollar Erfolgsgratifikation bietet. Ergebnisse der Forschung, die den Zusammenhang zwischen Keimen und der Entwicklung von Alzheimer untersuchten, ergaben, dass wir inzwischen mehrere Keime (z. B. Herpes-Viren) kennen, die einen Zusammenhang mit der Entwicklung von Alzheimer erkennbar nahelegen. Dies lässt sich z. B. aus Ergebnissen ableiten, dass bei medikamentöser antiviraler Therapie zu 11 % (HR 0.89, 95%-CI: 0.86 bis 0.92) im Vergleich zur Nichtbehandlung eine Minderung des Risikos, eine Demenz zu entwickeln, erreicht wurde. Fraglich bleibt jedoch, ob in Beobachtungsstudien wie dieser wirklich gleiche Kohorten untersucht wurden, zumal bisher keine hochwertige Studie (RCT-Design) vorliegt, die dies belegen kann. Auch bleibt der Schluss offen, wie zu therapieren wäre: welche Dosis, weches Medikament und welche Dauer? Deswegen kann aktuell kein generelles Befürworten einer antiviralen Therapie abgeleitet werden. Meine klinische Erfahrung ist es gleichwohl, dass sich bei Patienten, die bei Infektionen antibakteriell oder antiviral behandelt werden, die Hirnleistungen leicht bessern können.
  • Warum entwickeln so viele Patienten eine gemischte Demenz?
    Wir wissen bereits, dass bei untersuchten Gehirnen von Verstorbenen, die zu Lebzeiten die Diagnose Alzheimer-Krankheit bekamen, nur 5 bis 8 % eine reine Alzheimer-Pathologie und mehr als 10 % eine mehrfache Neuropathologie mit verschiedenen toxischen Ablagerungsproteinen und/oder Gefäßpathologie aufweisen. Diese bekannten Erkenntnisse ließen vermuten, dass Überschneidungen von Alzheimer- (AD) mit Lewy-Body- (LBD) und Parkinson-Demenz (PD) sich nicht zufällig ereignen. Gemäß den Ergebnissen einer Studie konnten für LBD fünf Gene – zwei davon sogar neu – entdeckt werden, wovon drei Gene (GBA, SNCA und TMEM175) auch bei PD und zwei (APOE, BIN1) auch bei AD bekannt sind. Weiteres Ergebnis dieser bemerkenswerten Untersuchung war, dass Menschen mit LBD-Genen, die auch genetische AD-Varianten zeigten, früher verstarben und Menschen mit genetischen PD-Risikovarianten bereits in jüngerem Alter eine LBD entwickelten. Eine Schlussfolgerung dieser Studie ist, dass eine koexistierende Hirnpathologie kein Zufall ist, sondern einem genetischen Risikoprofil folgt. Dies stützt eine bisherige Hypothese: Demenzen müssen als eine Kombination verschiedener paralleler Krankheitsprozesse (vaskulär, Amyloid, Tau, α-Synuclein und weiterer Faktoren) in subtil differenter „Dosis“ betrachtet werden. Hieraus könnte sich zudem das bekannte, sehr unterschiedliche klinische Bild von AD- und LBD-Patienten ebenfalls gut erklären. Forschungsergebnisse wie diese offenbaren entscheidende Konsequenzen für die zukünftige Therapie, insbesondere dann, wenn in kommenden Jahren mehrere Medikamente für unterschiedliche neurodegenerative Prozesse zugelassen werden sollten. Dies würde nämlich bedeuten, dass LBD z. B. auch mit AD-Medikamenten oder AD auch mit LBD-Medikamenten behandelt werden könnte. Voraussetzung wäre dann aber, dass die Überschneidungspatienten herausgefiltert werden können, was Biomarkerresultate durchaus versprechen.
  • Darmflora = Mikrobiom beeinflusst unsere Lebensdauer? 
    Bekannt war bereits, dass unser Übergang vom vorindustriellen Lebensstil zur Landwirtschaft vor etwa 8.000 Jahren und im Folgenden zum modernen Lebensstil mit der deutlichen Abnahme der Vielgestaltigkeit des Mikrobioms einherging. Diese Resultate werden inzwischen unter den Fachleuten als (mit-)ursächlich für viele moderne chronische Krankheiten betrachtet. Für die Schulmedizin ist diese neue wissenschaftliche Datenlage, nämlich dass unsere Gesundheit von unserem Mikrobiom abhängt, noch eine kühne These. Dennoch, die Studienlage belegt inzwischen, dass je vielfältiger das Mikrobiom eines Menschen ist, desto länger das Leben und desto andauernder die Gesundheit sind. Es wurden in der hier zitierten neuen Studie drei große Kohorten mit mehr als 9.000 Personen verglichen. Es fanden sich bei Menschen mit einer gesunden Darmflora nachweislich deutlich höhere Proteinspiegel im Blut (Proteine, die von Darmkeimen produziert wurden) als bei Nichtgesunden. Bemerkenswerterweise zeigte sich bei Menschen über 80 Jahren ein einzigartiges Mikrobiom, quasi ein individueller Mikrobiom-„Fingerabdruck“, während bei Nichtgesunden dieses Besonderheitsmuster fehlte. Gesunde Ältere zeichneten sich durch einen geringen Anteil der Bakterien-Familie Bacteroides aus. Auffällig war zudem, dass Menschen, die eine Bacteroides-Dominanz und eine Abnahme der Familien Lachnoclostridium und Rumminokokkus hatten, durch ein fehlendes Einzigartigkeitsmuster gekennzeichnet waren. Im Vergleich hatte letztere Gruppe eine deutlich verminderte Vier-Jahres-Überlebensrate. Es lasst sich ableiten: Im höheren Älter ist Gesundheit und langes Leben mit einem komplexen, d. h. gesunden Mikrobiom verknüpft, da diese Keime Stoffwechselprodukte herstellen, die wir benötigen und die helfen, z. B. ein gesundes Blutfettprofil zu stabilisieren.
  • Eine neue globale Initiative: „Gehirnkapital aufbauen!“ 
    Unser Wissen darüber, dass die weltweite Zahl der Alzheimer-Patienten von aktuell ca. 50 Mio. bis 2050 auf über 150 Mio. zunehmen wird, sollte uns alle nachdenklich werden und vorausschauend handeln lassen, denn diese weltweite Herausforderung der nächsten Jahrzehnte wird alle mehr oder weniger persönlich betreffen. Eine neue weltweite Initiative unter Federführung der OECD – Building Brain Capital wurde ins Leben gerufen. Die aktuelle Corona-Pandemie verursachte bereits jetzt bekanntermaßen erhebliche Krankheitsfolgen für Hirnleistungsstörungen, die bereits in den vorhergehenden Jahrzehnten erheblich angestiegen waren. Diese neue Initiative will nun die Menschen weltweit aufrütteln, sich für geistige Gesundheit und die Aneignung von Hirnleistungen als eine zwingend erforderliche Grundlage für unser modernes Leben einzusetzen. Die Notwendigkeit, sich an immer neue Technologien anzupassen, bereits sehr früh allen Menschen eine umfassende Bildung zu ermöglichen, oder Bildung und Lernen als lebenslange Aufgabe zu begreifen, sind wenige Beispiele der Aufgaben. Diese Fähigkeiten basieren auf Eigenschaften wie Motivation, Disziplin, Vorstellungsvermögen, Selbstkontrolle, emotionale Intelligenz, Kreativität, kognitive Flexibilität und Erinnerungsfähigkeit, um nur einige zu nennen. Diese Persönlichkeitsmerkmale werden in diesem 21. Jahrhundert weiter an Bedeutung gewinnen. Der Appell dieser Initiative richtet sich nicht nur an jeden Einzelnen, sondern vor allem an Staatenlenker in der gesamten Welt, um z. B. staatliche Projekte zu fördern, die das umfassende Ziel, „Brain Capital“ aufzubauen, verfolgen. In Anbetracht aktueller weltpolitischer Ereignisse, die die Weltökonomie schwer belasten, ist diese Initiative bemerkenswert: „Brain capital should be at the heart of a systemic recovery, enabling a long-term, global, and whole systems approach to boosting economic and societal resilience.“

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